man muss ans Herz kommen
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dann erlebe ich alles wieder
Transkription >>>Quelle: Interview Archiv der Erinnerung ©
MMZ/Fortunoff
1995
Foto Willi-Frohwein-Platz © Susanne Ahner 2021
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das ist auf einmal da, egal wo man ist
Transkription >>>Quellen: Interview Archiv der Erinnerung ©
MMZ/Fortunoff
1995
Foto Willi-Frohwein-Platz © Susanne Ahner 2021
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ich werde diese Bilder nicht los
Transkription >>>Quellen: Interview Archiv der Erinnerung ©
MMZ/Fortunoff
Foto Willi-Frohwein-Platz © Susanne Ahner 2021
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ich spreche von den Bildern, die ich sehe, sobald ich die Augen schließe
Transkription >>>Quellen:
Interview Archiv der Erinnerung ©
MMZ/Fortunoff
1996
Foto Willi-Frohwein-Platz © Susanne Ahner 2021
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ich habe über zwanzig Jahre nicht gesprochen
Quellen:
Zeitzeugengespräch im Haus der Wannseekonferenz © GHWK / AJZ 2007
Zeitreise nach Osten, Dokumentarfilm © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007
Interview Archiv der Erinnerung ©
MMZ/Fortunoff
1995
Foto Willi-Frohwein-Platz © Susanne Ahner
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ich wollte ein ganz normaler Mensch sein
Transkription >>>Quellen: Zeitreise nach Osten, Dokumentarfilm © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007
Foto Willi-Frohwein-Platz © Susanne Ahner 2021
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Willi Frohwein berichtet aus Mittelbau-Dora
Transkription >>>Quelle: Zeitzeugengespräch mit Aktion Sühnezeichen im Haus der Wannseekonferenz © GHWK 2002
01.1945 Willi Frohwein berichtet vom Todesmarsch
Transkription >>>Quelle: Zeitzeugengespräch Deutsch-Polnische Jugendbegegnung, © Pilarski 2007
Ob ich noch jemand von meiner Familie sehe
Ich habe so viel Glück gehabt
Transkription >>>Quellen:
Interview Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1996
Zeitzeugengespräch mit Aktion Sühnezeichen © GHWK 2002
Foto privat
Das Brot war unser Heiligtum
Was es mir bedeutet, einem anderen zu helfen
Transkription >>>Quellen:
Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal © Stendaler Fernsehen / Lutz Thiede 2007
Zeitzeugengespräch im Haus der Wannseekonferenz © GHWK / AJZ 2007
Zeitzeugengespräch Deutsch-Polnische Jugendbegegnung © Pilarski 2007
Foto © Archiv Auschwitz
08.1943 – Willi Frohwein kommt in die neue Wäscherei
Transkription >>>Quelle: Zeitzeugengespräch mit Aktion Sühnezeichen, © GHWK 2002
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06.1943 – Willi Frohwein und der Wiener Komponist
Transkription >>>Quellen:
Zeitzeugengespräch mit einer 6. Klasse, © GHWK undatiert
Zeitreise nach Osten, Dokumentarfilm © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007
Ich wusste nicht was Auschwitz ist
Da habe ich erfahren, warum ich noch lebe
Transkription >>>Quellen:
Zeitreise nach Osten, Dokumentarfilm © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007
Interview Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1995
Foto: Still aus Zeitzeugengespräch im Lehrerseminar Potsdam @ Joachim Pilarski 2008
08.1942 Willi Frohwein will in die Schweiz
Transkription >>>Quelle: Zeitzeugengespräch mit einer 6. Klasse, © GHWK undatiert
das ist schwer zu begreifen, ich kann es selber kaum begreifen, aber ich habe es erlebt
Transkription >>>Quellen: Sühnezeichen, Lenné,
MMZ/Fortunoff
, GHKW,
MMZ/Fortunoff
Foto Willi-Frohwein-Platz © Susanne Ahner 2021
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Auf einmal stand ich ganz alleine da
Er ist der Einzige, der mir geholfen hat
Quellen:
1+2 Zeitzeugengespräch Winckelmann-Gymnasium Stendal, © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede 2007
Foto privat
Beobachtungen von Willi Frohwein 1932/33
Transkriptionen >>>Quellen:
1 + 2 Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal 2007 © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede 2007
3 Zeitzeugengespräch im Lehrerseminar Potsdam © Pilarski 2008
Willi Frohwein beginnt ein Zeitzeugengespräch
Transkription >>>Quelle:
Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede
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man muss ans Herz kommen…
Dann stand ich am Rednerpult, da kommt ein Bild bei mir. Und nach diesen Bildern versuche ich das zu erzählen und versuche zu erreichen, dass bei dem Zuhörer die Worte sich wieder in Bilder verwandeln. Das ist immer das Entscheidende, wenn man spricht, dass das für den anderen das vorstellbar wird. Also der beste Pädagoge kann noch so wissenschaflich erzählen, er wird immer, wenn er rational erzählt, nicht ans Herz kommen. Ich hab mal 15 Minuten in Inforadio gesprochen und hab dann gesagt: ‚Man muss ans Herz kommen, dann macht der Kopf schon weiter.‘
(Zeitzeugengespäch im Lehrerseminar Potsdam, © Joachim Pilarski 2008)
diese Träume sind schlimmer als das Lager selber
Ich wollte nicht erzählen und habe dauernd geträumt. Und wenn man dann sowas erlebt hat und träumt davon, sind diese Träume noch schlimmer als die Wirklichkeit das war. Und dann dieses einfache-, du kannst ja mit keinem darüber sprechen. Ich wollte verdrängen. Man kann nicht verdrängen. Und ich habe also immer wieder geträumt.
(Zeitzeugengespäch mit einer Gruppe des Alternativen Jugendzentrum e.V. Dessau im Haus der Wannseekonferenz, © GHKW 2007)
wenn ich rede träume ich nicht
Ich hatte, bis 1966 habe ich ja überhaupt nicht gesprochen. Da habe ich nur geträumt. Ich habe mit überhaupt keinem gesprochen. Ich wollte vergessen und wegräumen. Ich wollte das einfach nicht, wollte nicht darüber sprechen. Da habe ich sehr viel geträumt. Und seit dem ich so viel mit der Jugend zusammne bin, seit dem ich soviel spreche, sind diese Albträume nicht mehr. Ich muß es nicht mehr alleine verarbeiten. Sondern ich habe immer das Gefühl, wenn ich in solcher Gruppe bin, Ihr nehmt mir was ab, Ihr denkt mit. Und mein Leben hat einen Sinn.
(WF in: Gemeinsam gegen das Vergessen, © Denis Newiak / Joachim Pilarski 2006)
dann erlebe ich alles wieder
Das ist jetzt, in diesem Jahr, das erste Mal gewesen, dass ich von Auschwitz geträumt habe. das is also. […] und ich erwische mich auch, dass ich also, Wachträume habe, wissen Sie, am Tage dann sitze und dann eine Strecke eben erlebe – ja. Aber das ist mir lieber, als wenn ich nachts…
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1995)
Willi F. Holocaust Testimony (HVT-3389). Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam and Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies, Yale University Library
September 1995 und März 1996
das ist auf einmal da, egal wo man ist
Wenn ich jetzt bloß daran denke, ein ungarischer Transport kommt, da unsere Pritschen waren ja nicht breiter als hier, also wenn sie so breit waren, wo wir drauf geschlafen haben, aus Holz mit Strohsäcken, angeblichen Strohsäcken, da war Holzwolle drin, und dann kriegte ich zwei ungarische Jungs, waren noch ein paar Jahre jünger als ich. Und da sagt der eine zu mir „sag mal, is es wahr, dass unsere Eltern in die Sonne gegangen sind?“ Gott, dachte ich was meint denn der damit eigentlich, bisschen doof, ich konnte das, ich konnte mit dem Begriff Sonne nichts anfangen, um Gottes Willen da fiel es mir ein, der meint das Krematorium. Gott was soll ich denn da machen, soll ich sagen „ja“. soll ich sagen „nein“? Ach hab ich eben den Fluchtweg gesucht, hab bloß gesagt „ach ihr müsst doch nich alles glauben, was erzählt wird, es wird soviel hier im Lager erzählt das müsst ihr nicht alles glauben“. Ich kann doch den beiden Jungs nicht den Lebensmut nehmen, jetzt ohne Vater ohne Mutter zu sein, auf einen Schlag, die komm heute an und fragen mich morgen „is es wahr, dass die in die Sonne gegangen sind?“. Das sind Sachen die fallen einem ein, die sind au einmal da, egal wo man ist.
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1995)
ich werde diese Bilder nicht los
wenn sie das alles, das kommt alles da. du denkst an gar nichts, versuchst es jedenfalls und auf einmal sind die Einfälle da, ja wie war es denn noch, wie war es denn, ach ja. Und dann denn merkst du erst, was für eine Last du eigentlich vier- fünfzig Jahre schon mit dir herumschleppst. Du hast versucht zu verdrängen, vergessen kann man ja nicht, aber zu verdrängen – schaffst du nicht, kannst nicht mal verdrängen, du kriegst es also nicht fertig, dir fällt ja immer mehr ein, je mehr du erzählst je mehr fällt dir ein.
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1995)
Ich spreche von den Bildern, die ich sehe, sobald ich die Augen schließe
Das tut furchtbar weh. Ein Mensch muss sterben, bloß weil er v… weil sie ihn haben verhungern lassen. Das tut dann weh. Und darum sag ich ja auch immer wenn ich vom Lager erzähle, ist das Erste, und darum ist mir das hier auch neulich nicht eingefallen, das Erste, ich sehe immer meine, die Häftlinge, sehe diese unterernährten Gestalten. Und denke gar nicht daran, dass ich genau so aussehe, wundere mich, dass die noch rumlaufen können und ich laufe genauso herum.
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1996)
ich habe zwanzig Jahre nicht gesprochen
Ich habe über 20 Jahre nicht gesprochen. Aber meine Vergangenheit hat mich nicht eine Minute losgelassen.
(Zeitzeugengespäch mit einer Gruppe des Alternativen Jugendzentrum e.V. Dessau im Haus der Wannseekonferenz, © GHKW 2007)
Erst als sie den Fischer, den Dr. Horst Fischer gefasst hatten, da bin ich wach geworden. Da war ich in Altenburg mit der DEFA und kriege eine Zeitung vorgelegt, da stand so eine kleine Notiz drin, sechs Zeilen vielleicht, Doktor, der ehemalige KZ Arzt von Auschwitz, Dr. Horst Fischer ist in Frankfurt Oder im Bezirk Frankfurt Oder festgenommen worden.
Ihr glaubt gar nicht, in wieviel Sekunden die Bilder an mir vorbei gezogen sind. Vor allen Dingen die Bilder, wenn ich auf den, auf die Transporte gestiegen bin, wo diese hoffnungslosen Gestalten schon oben waren. Es ist alles an mir vorbei gezogen. In kurzer Zeit. Ich hab alles stehen und liegen lassen, bin in Altenburg zum Staatsanwalt gegangen und hab mich da als Zeuge gemeldet.
(Zeitzeugengespäch mit einer Gruppe des Alternativen Jugendzentrum e.V. Dessau im Haus der Wannseekonferenz, © GHKW 2007)
Hier hat einer geschrieben „Dirigent des Todes“ […] über den KZ-Arzt Doktor Fischer [hält einen Zeitungsausschnitt in die Kamera]. Das war der Mann, der an der Rampe stand, und durch Fingerbewegung entschieden hat, wer leben darf, oder wer sich tot arbeiten darf. Hier is mein, ich war doch als Zeuge gegen Doktor Fischer vorm obersten Gericht der DDR, da sind, da sind, ist ein, Bericht von dem Tag, da hatte ich nach der Vernehmung einen Nervenzusammenbruch. Das Einzige was er zugegeben hat, ist dass er es aus Überzeugung getan hat, er hatte, bis ich ausgesagt hatte, abgestritten auf Block neun selektiert zu haben. Nachdem ich aber ganz konkrete Daten genannt hatte, staune dass ich nach zwanzig Jahren, noch genau wusste, wann Fischer da war, denn Fischer hat nur Urlaubsvertretung gemacht, ja, da hat er dann auch den Block neun zugegben, man hat ihm nachgewiesen 70 000 Menschen, in den Tod geschickt zu haben. Ja. Und mit dem Fischer-Prozess fing ich an zu reden.
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1995)
ich wollte ein ganz normaler Mensch sein
Wie ich das verarbeitet habe? Also ich hab versucht, es gar nicht zu verarbeiten, sondern ich habe mich geübt in Schweigen 20 Jahre lang und wollte vergessen, verdrängen. Das ist hart gewesen, war sehr hart.
Ich habe mit keinem, zuhause haben wir sowieso nicht drüber gesprochen mit meinen Eltern, die hatten die Nazizeit hinter sich. Wir hatten sie, wir werden sie nicht immer wieder zurückholen. Haben wir gar nie darüber gesprochen. War kein Thema. Meine Mutter hat nicht gefragt, die hat sich gefreut, dass ich da war und als ich dann geheiratet habe, habe ich meiner Frau wohl oder übel erzählen müssen, dass ich im Konzentrationslager war. Das war es aber auch, wegen der Nummer schon. Ja, das war es schon. Meine Kinder haben sich nicht getraut, mich zu fragen, weil sie gedacht haben, die überschreiten da eine Hemmschwelle. Haben mich nicht gefragt. Ich habe über 20 Jahre nicht gesprochen.
(WF in: Zeitreise nach Osten, © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007)
Willi Frohwein berichtet aus dem Lager Mittelbau-Dora
Das ist also Dora, Mittelbau-Dora hieß es. War die größte unterirdische Kriegsfabrik, die Deutschland damals hatte. Da wurden nämlich die Raketen gebaut. Und ich musste also, da ich ja von Metall keine Ahnung hatte, aber ich musste die Teile hinbringen an die Rakete. Und hatte das Glück, also da in dem Stollen zu sein. Na ja und dann ist mir das ganze Paradoxe erstmal so zu Sinn gekommen. Da habe ich mir mit den scheiß Munitionsleeren da so eine Mühe gegeben, den Nazis das zu vermasseln oder so viel wie ich jedenfalls dazu tun kann. Nachher arbeite ich an den modernsten Waffen der Welt.
(Zeitzeugengespräch mit Aktion Sühnezeichen im Haus der Wannseekonferenz © GHWK 2002)
Willi Frohwein berichtet vom Todesmarsch
Wir sind dann auf offenen Kohlenwaggons transportiert worden. Da hast du dann gesehen, da ist einer nach dem anderen dann auf den Waggons gestorben. Wir haben einfach da aus der einen Ecke einen rausgeschmissen, während der Fahrt aus dem Zug geschmissen, auf der anderen Ecke. Und neben mir saß einer, da wir ja nicht sprechen durften, wir durften nicht aufstehen, haben wir ausgemacht, mit Augenkontakt uns angucken, mit einem Mal gucke ich ihn an, kommt nichts wieder. Hab ich gedacht, Kann doch nicht sein. Der kann doch nicht einfach gehen, ohne wenigstens, ausgehaucht zu haben. Der war einfach weg. Der ist einfach gestorben. Dann fängst du an zu überlegen – werde ich auch so? Oder wie werde ich aus dem Waggon kommen?
(Zeitzeugengespräch Deutsch-Polnische Jugendbegegnung, © Pilarski 2007)
Ob ich noch jemand von meiner Familie sehe
Als dann das durchsickerte, dass alle Juden und jüdisch versippten ausgerottet werden, hab ich… ja das hat sich ja dann umgewandelt bei mir in Warten, ob ich eventuell noch einen von meiner Familie sehe, das war dann also schon, das schlug dann um, ja, als diese, 42er Geschichte [gemeint ist die Wannseekonferenz] bis ins Lager durchsickerte und dort erzählt wurde „alle werden umgebracht“. Ja aber diese Größenordnung von elf Millionen – sie haben ja nun über fünfzig Prozent geschafft – ja das habe ich mir nicht träumen lassen.
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1996)
Ich habe so viel Glück gehabt
Und dann nachher nach 1945, mein Bruder ist gefallen, habe ich es dann erfahren, warum ich noch lebe. Ich meine, ich hätte noch dreimal sterben können, Grund genug hätte ich gehabt, also die Todesmärsche, dieser Hunger und Durst – aber ich habe es geschafft. Ich sage immer so viel: Kinder, wenn ich halb so viel Verstand hätte, wie ich Glück gehabt habe, dann wäre ich Einstein. Ja? Also ist wirklich so, dass ich so viel Glück, ich kann es nicht fassen. Ich kann es einfach nicht fassen, wie oft ich dem Tod schon von der Schippe gesprungen bin.
(Zeitzeugengespräch mit Aktion Sühnezeichen © GHWK 2002)
Das Brot war unser Heiligtum
Ich bin von Anfang an in ein Strafkommando gekommen. Ich war noch gar nicht richtig im Lager, da war ich schon im Strafkommando. Habe also im Strafkommando gearbeitet, und das hieß bei mir zwölf Stunden am Tag im Dauerlauf Zement schleppen. Der Sack Zement wog 50 Kilo und ich hab 40 Kilo gewogen. Da könnt Ihr Euch ja vorstellen – und dann nichts zu essen. So kleine Stücke Brot, 200 Gramm oder so, wa? Und dann dazu ein Liter Suppe, die nicht definierbar ist, die haben zwar gesagt, es ist Trockengemüse. Aber das da dran Gemüse war, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich das Gefühl hatte, ich fresse den Wald auf, trockene Blätter, die waren un- gar nicht zu verdauen, da hat sich was abgespielt. Sie waren gar nicht zu verdauen, aber wenn du Hunger hast, isst du eben.
(Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede 2007)
So und dann die Apelle und recht wenig Schlaf. Ziel war ja jetzt hier, durch Arbeit die Leute umzubringen. Die Arbeit hat sie nicht umgebracht, sondern dass sie nichts zu essen gekriegt haben. Dass man sie getrieben hat zur Leistung, zu der also selbst bei normaler Ernährung keiner in der Lage ist.
(Zeitzeugengespäch mit einer Gruppe des Alternativen Jugendzentrum e.V. Dessau im Haus der Wannseekonferenz, © GHKW 2007)
Was es mir bedeutet, einem Anderen zu helfen
Also wir waren ja alle ein Alter, die sahen, manche sahen aus wie ihre eigenen Großväter, die haben nicht mehr die Kraft gehabt, das Gesicht zu verziehen. Da habe ich mir einen ausgesucht, das Bild werd ich nie los, einem von diesen Muselmännern, dem habe ich meine Lagerration gegeben, und da aus den Augen kamen Blitze. Da war die Freude. Ja kein, der hat das Gesicht nicht verzogen. Aber wie er mich angeguckt hat und die Augen strahlten. War ich so glücklich und hab mich so gefreut. Und da hab ich dann immer wenn ich was hatte, immer diesen Muselmännern was gegeben. Ich wusste, ich kann keinen mit dem Stück Brot retten. Aber ich wusste, ich werde der Letzte sein, der ihm eine Freude machen kann.
(Zeitzeugengespräch Deutsch-Polnische Jugendbegegnung im Haus der Wannseekonferenz, © Pilarski 2007)
Willi Frohwein kommt in die neue Wäscherei
Da habe ich nun das Glück gehabt, ich bin Deutscher darauf geworden. […] Auf einmal packt mich so richtig der Größenwahn, ich dachte, du bist doch Deutscher! Und da bin ich dann einfach zu dem SS-Mann gegangen, der für die Arbeitseinteilung zuständig war, das war ein Sturmführer und habe gesagt, ich habe nicht gesagt, in welche Wäscherei ich will. Ich habe bloß zu den gesagt: „Ich bin Wäscher und Plätter von Beruf, ob ich nicht In die Wäscherei kommen könnte?“ […] Und außerdem, da ich ja Wäscher und Plätter gelernt hatte, […] Ich bin nämlich in die neue Wäscherei gekommen und war da der einzige Fachmann, der alle Maschinen bedienen konnte. Das war also nun der Traumberuf war nachher meine Lebensrettung.
(Zeitzeugengespräch mit Aktion Sühnezeichen im Haus der Wannseekonferenz © GHWK 2002)
Willi Frohwein und der Wiener Komponist
Na ja, und ich habe mich dann im Lager, also in der Quarantäne mit einem angefreundet, der war Komponist aus Wien. Und das waren die Intellektuellen, also alles Akademiker, die waren besonders, die wurden besonders schikaniert. Von 150 Zugängen war er der einzige dieser Intellektuellen, der seinen Urin aus der Flasche trinken musste. Also ihr könnt euch vorstellen, so ein sensibler Mensch und dann dieses. Also ich hatte zu tun, ihm Mut zu machen, dass er überlebt.
(Zeitzeugengespräch mit einer 6. Klasse, © GHWK undatiert)
Ich habe also dann meine Aufgabe gesehen, dem musst du helfen, damit er durchkommt. Er hatte eine Frau und ein Kind in Wien noch und da habe ich auf den eingeredet. Nun sagt man ja immer, man hilft selbstlos. Das ist Quatsch. Indem ich dem nämlich zugeredet habe, hab ich mir selber Mut gemacht.
Als ich dann der Meinung war, ich habe ihn überzeugt, dass er kämpfen muss um sein Leben. Er machte so einen, ich möchte sagen, irgendwie zufriedenen Eindruck, weil er jetzt begriffen ha, er ist Häftling und muss sich nicht selber aufgeben. Ja und in der Nacht ist er in den Zaun gegangen. Am nächsten Morgen kam dann ein SS-Mann durch die Baracke und zeigte uns eine Brille. Der hatte so ein honiggelbes Brillengestell gehabt. Und als ich die Brille gesehen habe, habe ich gewußt was los ist. Und da war jetzt mein Ansprechpartner weg. Ich hatte keine Freunde mehr.
(WF in: Zeitreise nach Osten, © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007)
Ich wusste nicht, was Auschwitz ist
Ihr Juden braucht euch gar nicht einbilden, dass ihr in Auschwitz älter werdet als 14 Tage. Was heißt Auschwitz, was ist denn Auschwitz? Habe ich ja noch nie gehört. Wir musten alles was wir hatten abgeben in der Effektenkammer. Das heißt, da kriegte jeder so einen kleinen Sack und durfte am Ende wenn er ausgezogen war überhaupt nichts haben, außer die Brillenträger die Brillen. Und dann wurden wir gebadet, desinfiziert dann eingekleidet. Nach der Einkleidung kam dann das nur in Auschwitz übliche, die Tätowierung. Das wurde dann mein Name. [zeigt Nummer auf Arm] Könnt Ihr das sehen? Jetzt hieß ich nicht mehr Frohwein, sondern ich hab meine Identität verloren und hieß jetzt 122 785.
(WF in: Zeitreise nach Osten, © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007)
Da habe ich erfahren, warum ich noch lebe
Warum bin ich auf einmal kein Jude mehr gewesen? Folgendes: Meine Mutter war wieder mal bei der Gestapo, das war noch bevor sie den Illegalen [Brief], gekriegt hat und die konnten ihr nichts sagen, aber auf den illegalen Brief konnte sie auch nicht antworten, sie wusste ja nicht, dass ich in Auschwitz bin, sie hatte keine Häftlingsnummer, nichts, also konnte sie nicht. Dann ist sie mal wieder zur Gestapo gegangen und hat denen gesagt „vielleicht is mein Junge schon gar nicht mehr, lebt der schon gar nich mehr oder ist schwer krank“ und da hat dieser Gestapomensch, meine Mutter hats nicht mitgekriegt, entweder versehentlich, oder absichtlich sich versprochen, und ihr gesagt „wenn da wat wäre hätten sie von Auschwitz schon Bescheid“.
Und daraufhin hat meine Mutter einen Brief an den Kommandanten von Auschwitz geschrieben, die wusste garnicht, ob der so heißt, sie hat einfach an den Kommandanten von Auschwitz geschrieben und geschildert, dass sie doch mit dem Sohn, der im Felde ist, mein Bruder war ja noch Soldat, schon soviel Sorgen hat und gerne wüsste ob ich noch lebe und das war mein Lebensretter, zu dem Zeitpunkt als sie mich da ausgesucht haben, ist nämlich der Brief meiner Mutter dort angekommen und lag beim Sicherheitsdienst, nun waren die wahrscheinlich so unsicher, dass sie mich immer wieder von diesen Totentransport, Vergasungstransport runter genommen haben – und nun war mir auf einmal klar, warum ich nicht mit keine bessere Arbeit gekriegt habe und und nicht sterben durfte.
(Interview im Archiv der Erinnerung, © MMZ / Fortunoff 1995)
Willi Frohwein berichtet von seiner Flucht
Nun wollte ich also in die Schweiz. Und da habe ich dann einen Tipp gekriegt, bei Konstanz wäre die beste Möglichkeit, noch über die Grenze zu kommen, sein Leben zu retten. Na ja, und dann habe ich beschlossen, ich haue ab. Keinen was erzählt. Keinen. Und bin dann, als ich meinte, jetzt ist der richtige Moment, keiner war zu Hause, habe ich meinen kleinen Koffer gepackt. Wir hatten ja damals noch nicht so viele Klamotten, weißt du? Da hat ja so ein kleiner Koffer gereicht. Habe mein Geld zusammengesucht und habe dann die Lebensmittelkarte, vor allem Dingen die Raucherkarte, da gab es ja Zigaretten drauf, die habe ich dann mitgenommen.
(Zeitzeugengespräch mit einer 6. Klasse, © GHWK undatiert)
das ist schwer zu begreifen, ich kann es selber kaum begreifen, aber ich habe es erlebt
Na ja und dann kam das Jahr 38 und ich bin auf dem Weg zur Arbeit im November. Am 10. November morgens. Und ich komme da in der Breite Straße an, da ist ein Geschäft so mit Textilien, also Kurzwaren. Und da stehen so viele Leute. Und ich denke, was ist denn nun los? Hier stehen/. Die Juden mussten ja ganz groß in weißer Schrift ihrem Namen auf die Schaufensterscheibe schreiben. Und da stehen ja so viele Leute, die dürfen doch gar nicht beim Juden kaufen. Warum gehen die schon so früh hier her? Also das war mir irgendwie unheimlich. Also ich bin gerade an dem Laden angekommen, sehe die vielen Leute und da hält neben mir ein LKW mit Plane drüber. Und runter springenSA-Leute mit Steinen bewaffnet und schmeißen die Scheiben ein. Das hättest du mal sehen müssen, wa? Und da hat sich das geklärt, warum die Leute da standen? Da haben sie den Laden geplündert. Da habe ich so in meinem jugendlichen Verstand gedacht: „Siehst du, kaufen dürft ihr nicht beim Juden, aber klauen dürft ihr.“
(Zeitzeugengespräch mit Aktion Sühnezeichen im Haus der Wannseekonferenz © GHWK 2002)
Alle haben gewußt, was die Nazis vorhaben. Die Nazis haben also von Anfang an gesagt, wer ihre Hauptfeinde sind. Und dabei waren also, die Kommunisten, der Welt-Bolschewismus, aber an erster Stelle stand das Weltjudentum.
Da wollte ich nun zur Arbeit gehen, da sehe ich es in der Stadt brennen, am/ nähe Lindenufer muss es gewesen sein. Dachte ich was ist denn nun los, heute ist es aber verrückt, also ich runter, komm‘ da an, da brennt die Synagoge, die war am Lindenufer. Das ist hier dieser Turm. (zeigt ein Bild). Feuerwehr war da, aber die haben nicht einen Tropfen Wasser auf die Synagoge gemacht, bloß die anderen Häuser geschützt.
Da standen sehr viele Leute und man hatte so den Eindruck, die wärmen sich, war ja der 10. Novenber, die wärmen sich da an dem Feuer der Synagoge die Hände. Da sind meine Nerven kaputtgegangen. Da war ich fertig und hab geheult wie ein Schloßhund und konnte und konnte nicht aufhören. Und bin dann in den Betrieb gegangen.
Das ist ja was mich am meisten aufgeregt hat, und darum meine Theorie: Die Kristallnacht war für die Nazis der Probemarsch, was man mit dem deutschen Volk alles machen konnte.
(WF in: Diktaturen im Vergleich, © Peter-Joseph-Lenné-Schule Potsdam 2007)
Ja, jetzt war ja nun die Kristallnacht vorbei und ich habe erlebt, wie viele Juden aus unserer Nachbarschaft verschwanden, wo dann meistens nach 14 Tagen, das war die längste Zeit, die Mitteilung kam, dass sie an Herzversagen oder an Lungenentzündung in Oberschlesien verstorben sind. Das konnte ich immer gar nicht begreifen, dass die so schnell, nachdem sie abgeholt waren, tot waren, das konnte ich einfach nicht begreifen und wir haben darüber nicht gesprochen, bloß dass eben gesagt wurde „stell dir mal vor, der ist auch schon wieder tot“
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1995)
Wenn die Leute sagen, sie haben nichts gewusst davon, dann lügen sie. Die damals gelebt haben, haben gemerkt – ich habe es ja gemerkt, ich war ein Jugendlicher – dass die Leute verschwanden. Die haben nicht gemerkt, dass ihre Nachbarn verschwunden sind. Keiner hat was gewusst. Keiner hat was gemerkt. Aber auf der Straße haben sich unterhalten. Zwei Männer. Und da hat der eine was vom KZ, habe ich bloß gehört, im Vorbeigehen, KZ erzählt. Da sagte der andere: „Mensch, halte die Schnauze. Meinst du, ich will auch in KZ?“ Also, dass die Konzentrationslager, die die Nazis damals angefangen haben, kein Sanatorium waren, das haben die Leute alle gewusst. Die Leute haben viel mehr gewusst, als sie wissen wollten, habe ich immer gesagt. Sie wollten nichts wissen. Und dann haben sie ja, nach 1945, auch bewiesen, dass sie überhaupt nichts gewusst haben. Alle waren sie dagegen. Aber keiner hat was gewusst. wa?
(Zeitzeugengespäch mit einer Gruppe des Alternativen Jugendzentrum e.V. Dessau im Haus der Wannseekonferenz, © GHKW 2007)
Das Einzige was wir trotz dem wir keine Zeitungen im Lager hatten, das Einzige was also so nach und nach durchsickerte, war nicht nur der Frontverlauf, sondern war auch die Frage, dass alle Juden, und jüdisch versippten umgebracht werden und darum war ich ja jetzt endlich in Wannsee und hab mir das Protokoll angeguckt, über die Endlösung, ich war einfach vorher zu feige da hin zu gehen, weil ich Angst hatte das könnte mich zu sehr umhauen. Nun war ick am 27. Februar da und meine Angst war gar nicht so unbegründet und das, was bis ins Lager durchgesickert war, hat gestimmt, also bloß hier eben noch viel brutaler, so richtig preußisch exakt genau, festgelegt in welcher Reihenfolge, und auf welche Art und Weise, also alle jüdisch versippten ausgerottet werden sollten, das habe ich in meinen kühnsten Träumen, nicht erwartet, wie genau exakt man arbeiten kann. Und als ich denn noch die ganzen Unterschriften sah, dass also praktisch die ganze Regierung daran beteiligt war, die Reichsbahn, der Minister für Wirtschaft und wer alles daran beteiligt war – also da war ich vollkommen schockiert.
(Interview im Archiv der Erinnerung, ©
MMZ/Fortunoff
1996)
Auf einmal stand ich ganz alleine da
Ich bin dann also weiter in die eine Schule gegangen, alles prima geklappt, meine Schulkameraden ganz prima. Bis dann 1935, in der zweiten Schuljahreshälfte, der Lehrer mir einen Zettel gab und sagte, ich soll den meiner Mutter geben, die soll den ausfüllen. Und 14 Tage später komme ich in die Schule morgens – am Tag vorher, bin ich richtig weg gegangen wie immer, mit allen Klassenkameraden und Tschüss und so – den Tag komme ich wieder – Kein Aas guckt mich mehr an. Die ganze Klasse, keiner spricht mehr mit mir. Da könnt Ihr Euch ja vorstellen, jetzt hab ich mir den Kopf zerbrochen – was hab ich denen denn getan, dass keiner, der dich kenne, mehr anguckt. In der großen Pause war alles klar: Da haben meine Klassenkameraden auf dem Schulhof hinter mir her gerufen „Halb und halb ist auch einer“.
Bis dahin habe ich ja nicht gewusst, dass mein Vater Jude ist, der war ja auch katholisch getauft. Und ich war nun Mischling, ersten Grades, Halbjude, das hab ich alles garnicht gewußt. Das Verhängnisvolle war ja dann aber noch, dass der Lehrer an mir erklärt hat, ich dürfte keinen Lehrvertrag abschließen. Mich durfte keiner als Lehrling einstellen. Was machste nun? Sollst du jetzt dein ganzes Leben lang als ungelernter Hilfsarbeiter rumlaufen?
Er ist der Einzige, der mir geholfen hat
Stimmt es, dass Sie einen Betrieb haben? Ja, warum willst du denn das wissen? Hab ich ihm gesagt, dass ich was lernen will, sagt er komm mal zu mir morgen in den Betrieb. Da bin ich dann auch hin und dann haben wir uns geeinigt, wir haben einen Lehrvertrag gemacht. Er hat unterschrieben, ich hab unterschrieben. Und ich hab jetzt den Traumberuf aller Jungs erlernen wollen, nämlich Wäscher und Plätter. Wisst Ihr was das ist?
Aber ich hatte einen Beruf, das war mir so egal. Also hab ich den Vertrag unterschrieben um Wäscher und Plätter zu werden. Dann bin ich zum Arbeitsamt, der musste ja abgestempelt werden vom Arbeitsamt, die haben nicht abgestempelt. Ich bin zurück und zu ihm gesagt, Herr Kirchhoff, die stempeln den nicht ab. Er sagte, das spielt keine Rolle, du lernst trotzdem bei mir. Hat er mich da eingestellt. Ich habe dann Wäscher und Plätter gelernt. Keiner, wir waren über 20 Leute im Betrieb, aber keiner außer dem Chef hat irgend eine Vermutung gehabt, warum ich Wäscher und Plätter lerne da, hat doch kein Aas gelernt. Na ja, ich habe es gemacht und hab dort dann gelernt. Und das war, das muss ich ganz ehrlich sagen, wa, da hab ich mich am wohlsten gefühlt, denn die haben mich so behandelt, als wenn ich, als wenn alles garnicht war.
Denunziantin
Wir hatten bei uns im Haus eine Frau, die war nicht Mitglied der NSDAP, die war nicht mal in der Frauenschaft. Die war auch nicht in der Arbeitsfront, weil sie ja nicht gearbeitet hat. Diese Frau hat eine Trappe unter uns gewohnt und hat auf uns schön aufgepasst. Sie hat uns also, wenn zu uns Besuch kam, der Besuch ging wieder. Dann hat sie ihn abgefangen und hat ihn aufgeklärt, wo er war. Ob er nicht weiß, dass er beim Juden war. […] Das Einzige was sie uns an Besuch verschafft hat, war die Gestapo. Die, kann man sagen, in unregelmäßigen Abständen von acht bis 14 Tagen haben die bei uns irgend einen Vorwand gehabt eine Hausdurchsuchung zu machen. Die Frau hat es also verstanden, uns zu isolieren und immer in der Angst zu lassen, die Gestapo kommt. Wenn einer über den Hof von uns gegangen ist, der irgendwas getragen hat, was sie sich nicht erklären konnte, dann hatten wir die Gestapo im Haus. Das war natürlich ein Leben, also immer mit Zittern.
Und dann sind die Leute ja aus dem Weg gegangen, uns Kindern sogar… Entweder haben sie weg geguckt, weil sie nicht gegrüßt werden wollen. Oder sie sind sogar auf die andere Straßenseite gegangen.
Und diese Frau hatte nach der Pogromnacht auch den Wäscherei-Besitzer, der PG war, angerufen und wollte ihm klarmachen, dass er einen Juden beschäftigt, drei Mal hat sie angerufen. Die wollte der, dass der mich rausschmeißt, aber er hat es nicht getan.
Bescheinigung
Der ist der Einzigste, dem ich nach Kriegsende für die Entnazifizierung eine Bescheinigung geschrieben habe. Da habe ich auch noch Ärger bekommen deswegen. Weil der der Einzigste war, der mir geholfen hat, der mich als Mensch betrachtet hat, trotzdem. Und das habe ich, also, das waren also wirklich die schönsten Jahre oder Stunden, die ich da im Betrieb sein konnte. Kein Mensch im Betrieb wußte das, dass ich Halbjude bin. Keiner hat es gewußt, nicht mal der Waschmeister hats gewußt, keiner hats gewußt, nur er. Das habe ihn sehr hoch angerechnet, weil ich dann am liebsten im Betrieb war und dort anständig behandelt wurde.
(alle: Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede 2007)
Beobachtungen von Willi Frohwein 1932/1933
Ja das ist eine ganze Weile gut gegangenn und dann kann ich mich erinnern, als ich so neun Jahre alt war, das war so ’32, dass die Nazis dann stärker in Erscheinung traten.
Nun wurden wir zuhause so erzogen, dass wir uns nicht prügeln, das war also, meine Mutter, ihre größte Sorge, dass wir uns prügeln. Aber vor uns, hundert Meter entfernt, war das Sturmlokal der SA und auch ungefähr hundert Meter weiter war dasSturmlokal der Kommunisten und so in der Nähe unseres Hauses, haben die sich dann getroffen, um sich zu prügeln. Haben wir Kinder immer gesagt, siehste, die Ollen prügeln sich, aber wir dürfen nicht. Die Ollen waren also Anfang zwanzig, wa. Aber waren ja für uns Olle.
(Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede 2007)
Na ja, und dann kam der große Tag, der stolze Tag, als Hindenburg den Hitler zum Reichskanzler berief und damit das Dritte Reich geboren wurde, Da sind die Nazis dann durch die Straßen marschiert. Mit ganz groß, jetzt haben sie keine Angst mehr, mit Musik und mit ihren Fahnen und dann die SA-Leute. Ich habe manchmal einen Schreck bekommen, wenn ich dann bei den SA-Leuten so ganz dolle Kommunisten gesehen habe, aber auf einmal ganz verfärbt. Da habe ich so ein bisschen gedacht. das muss ja wohl auch nicht sein. Entweder er ist kein Kommunist oder kein Nazi.
Ja jedenfalls sind die da vorbei marschiert, heute ist es ja auch noch so, wenn so was ist, die Straßen sind ja immer voll, die Straßenränder, die Leute sind neugierig, und ich habe da auch gestanden, und da sind die dann vorbei marschiert. Und alle, die am Straßenrand standen, und nicht so gemacht haben, die Fahnen des Führers gegrüßt haben, die haben Dresche gekriegt. Da sind die SA-Leute aus der Kolonne raus gestürmt und haben die verprügelt mit Knüppeln. Erst mal ich mich über die Leute geärgert, die da auf Prügel gewartet haben.
Na ja. Der erste Eindruck zählt ja immer. Da habe ich meine Meinung gemacht von den Nazis. Na ja, es war nicht so schlimm. das Leben ist weiter gegangen, das hab ich mir eingebildet.
Und ich fühlte mich auch garnicht angesprochen, wenn die Nazis all ihre Feinde aufgezählt haben.
(Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede 2007)
Am Ersten April 33 war der erste Boykott der Juden-Geschäfte in Berlin. Da standen vor den jüdischen Geschäften SA-Leute mit Plakaten. Da stand drauf, ich war ja noch ein Kind, 33, vielleicht bin ich es heute noch, aber damals war ich es bestimmt. Da stand drauf „Deutsche, wehrt euch und kauft nicht beim Juden“ – dass die Nazis gegen die Juden waren, das habe ich gewusst, aber warum sich die Deutschen wehren sollen, das hab ich nicht begriffen, das begreife ich heute noch nicht.
(Zeitzeugengespäch im Lehrerseminar Potsdam, © Joachim Pilarski 2008)
Willi Frohwein beginnt ein Zeitzeugengespräch
Ich will also auch erreichen, dass wir, wenn ich hier spreche, gemeinsam den Weg gehen, den ich als Jugendlicher, als Kind gegangen bin, bis heute kann man sagen..
Und ich möchte euch mitnehmen auf diese Zeitreise und möchte, darum fange ich immer bei meiner Kindheit an, Euch so nach und nach erklären, wie das eskalierte und wie die Zeit verlaufen ist.
Also ich bin Willi Frohwein, bin am 27. März 1923 in Spandau geboren.
Dort bin dort auch gleich katholisch getauft worden und war dann bis drei Jahre zu Hause und dann bin ich in den Kindergarten gekommen, katholischen Kindergarten. […] also von drei bis sechs Jahren. Anschließend bin ich dann in die Knabenschule gekommen. Damals gabs ja noch Knabenschulen aber nicht bloß bei der katholischen Kirche. Ich war einer katholischen Schule. Nicht die Schule war katholisch, sondern die Schüler da drin.
(alle: Zeitzeugengespräch im Winckelmann-Gymnasium Stendal © Stendaler Fernsehen/Lutz Thiede 2007)